Die Vielfalt der Dessous

Alle tragen Unterwäsche, nobler auch mal Lingerie genannt. Aber nur wenige Stücke würden den Namen 'Dessous' verdienen, wenn dieses französische Wort auch eigentlich nichts anderes bedeutet als eben 'Unterwäsche'. Man verwendet dieses Wort, wenn es um besondere Unterwäsche und andere eher unter Alltagskleidung verborgene Kleidungsstücke geht, denen ein erotischer Charakter zugesprochen wird. Aus verschiedenen Gründen, wie wir sehen werden. Dessous haben keinen banalen, zweckorientierten Charakter wie den, uns warmzuhalten, sondern führen ein Eigenleben der Erotisierung auf unseren Verstand und den unserer Partner. Dessous unterstreichen vorteilhaft den Körperbau, können aber auch davon getrennt einen Fetisch-Charakter annehmen. Die Begierde auf einen Körper wird auf das übertragen, was ihm am nächsten ist - also intime Leibwäsche, die auf der Haut reibt und Körpergerüche aufnimmt. Angefangen hat dies alles durch die Tabuisierung alles Sexuellen in einer, moralisch bedingt, restriktiven Vergangenheit. Eben Dessous. Heute sind wir zwangloser, aber die Lust an Dessous hat sich gehalten und betört Generation um Generation.

Materialien und Formen bieten jede Menge Vielfalt

Der menschliche Körper, besonders der weibliche, bietet jede Menge Gelegenheit, über Kleidungsstücke und Accessoires seinen natürlichen Sexappeal zu unterstreichen, zu steigern oder weniger perfekte Einzelheiten zu überspielen. Ja, sie können auch etwas vortäuschen, was (darunter) eigentlich nicht da ist. All das vermögen geschickt entworfene Dessous zu unterstützen. Sie spielen mit unserem Geschmack, unserer Fantasie und unserem Trieb. Fast jedes Körperteil hat sein darauf spezialisiertes Dessous oder Kombinationen daraus. Da Sexualität sich an sich über die Zeit nicht ändert, haben Dessous zu einer Formensprache gefunden, die ihre eigene Tradition kennt und derart perfektioniert immer funktioniert. Selbst die Materialien können schon erotisch aufgeladen sein, wobei Geschmäcker für die eine oder andere Richtung eine Rolle spielen. Dessous sind eher weniger aus simpler Baumwolle (früher Leinen) als gewöhnliche Unterwäsche; dafür aber aus Seide oder Satin, Spitze, Leder, Lack, Latex, oder Samt. Schon damit werden Zuordnungen in Genres unternommen. Farben ebenso. Weiß steht für Unschuld, Rosa ist verspielt, Rot ist verrucht und Schwarz rätselhaft, ästhetisch oder gothic. Dies sind nur Beispiele. Welche Dessousformen gibt es nun zu nennen?

Die Hemdchen: Negligé, Babydoll, Chemise und Camisol

Unter Negligés werden leichte Nachthemdchen, gern transparent, verstanden. Das französische Wort bedeutet 'vernachlässigt' und bezogen auf Kleidung eben ein nachlässiges, zwangloses Hemdchen. Sie können verschiedene Längen bis hin zum Oberschenkel haben. Noch längere Formen sind dann eher als Peignoir oder Morgenrock anzusprechen - können aber immer noch mehr oder weniger durchsichtig sein und damit den Zweck als Bestandteil von Reizwäsche erfüllen. Verwandt mit dem Negligé sind Babydoll und die Gruppe des Camisol und der Chemise, beides meist ärmellose leichte Hemdchen. Das Camisol ist noch kürzer als die Chemise und besitzt Spaghettiträger. Das Babydoll hat einen amerikanischen Ursprung und lässt sich punktgenau auf einen Film von 1956 zurückführen. Es ist oft mit Rüschen besetzt und besaß ursprünglich auch ein zugehöriges Puffhöschen. Das Oberteil setzt leichte Körbchen ein, an denen ein luftig abfallender leichter Stoff ansetzt, der wie ein Rock ausweitet.

Auf den Leib gerückt: Corsage, Korsett und Torselett

Als Gegenteil von Hemdchen kann man Corsagen und das Torselett sehen, denn sie sitzen sehr eng, wirken mitunter formgebend und figurbetont, was sich manchmal durch Verschnürungen steuern lässt. Das macht sie natürlich zu vortrefflichen Aushängeschildern weiblicher Rundungen. Die Corsage hatte eine berüchtigte Rolle in der Modegeschichte, als sie im 19. Jahrhundert durch ihre Verschnürung eingesetzt wurde, um Wespentaillen zu erzeugen oder wenigstens, bis zur Bewusstlosigkeit einengend, vorzutäuschen. Diese Steigerung der Corsage stellt das Korsett dar, weil es stabile Stäbe eingearbeitet hat, insgesamt steifer verarbeitet ist und mit Bändern noch enger geschnürt werden kann. Während eine Corsage auf Hüfthöhe zu enden pflegt, geht das Torselett weiter und deckt den gesamten weiblichen Torso bis zum Beinansatz ab, ohne die Verschnürung der Corsage zu besitzen. Sie können beide ziemlich aufwändig verziert sein und mit transparenten Bereichen spielen. Beide können, müssen aber nicht Strumpfhalter unten und Schulterträger oben besitzen.

Catsuit und Body

Ohne die rigide Enge der Corsagen kommt der Catsuit aus, der noch weiter reicht und auch die Beine bekleidet, er ist ein Ganzkörperanzug, der nur Hände (Füße) und den Kopf ausspart. Der Catsuit hat wie der Babydoll ziemlich moderne Wurzeln in der Kostümierung von Filmheldinnen, wie etwa Catwoman. Der Gedanke an Rollenspiel kommt bei der Wahl dieses Dessous auf. Wir sehen ihn auch nur als Dessous, weil darunter nichts getragen werden muss. Der Body ist eine moderne, leichtere und sportliche Variante des Torselett, das sich oft aus dehnbarem, wenig verzierten Material enger anschmiegt, oben kurze Ärmelansätze zeigt und keine Strumpfhalterung (Strapse) kennt.

Büstenhalter Varianten, Teil 1

Viel Aufmerksamkeit genießt die Dessouskategorie der Büstenhalter, einer Wissenschaft für sich. Hier wütete seit allen Zeiten die weibliche Selbstkritik gegen die Unzulänglichkeiten der eigenen Büste, ob berechtigt oder unberechtigt, wegen der Mode oder der Konkurrenz. Entsprechend vielfältig sind hier die Versuche, über viele technische Tricks wie Bügel, Drähte und Stütz- und Spannvorrichtungen das Volumen und die Straffheit der sekundären Geschlechtsmerkmale aufzupimpern. Unter den Ergebnissen dieser Wissenschaft finden wir Push-Up Modelle, Longline Büstenhalter mit ihrem breiten Band unter der Brust, und die ausstellungsfreudige Balconette. Manchmal soll der Rücken oder die Schulter frei bleiben, weshalb zu trägerlosen BH oder Nackenträger-BH gegriffen wird.

Büstenhalter Varianten, Teil 2: Bralettes und Bustiers

Falls Sie dachten, damit wäre schon die Bemühungen um die ideale Büste erschöpft, liegen Sie falsch. Es gibt mehr Büstenhalter-Varianten, als hier genannt werden können. Aber wir wollen noch die Bralettes und Bustiers als zwei wichtige Gruppen erwähnen. Bralettes verwenden keine Bügel oder Cups mit Wattierung. Ihr Unterbrustband ist ausgeprägt und gibt guten Sitz. Bustiers sind ausgesprochen kurze Torseletts, die noch auf Rippenhöhe abschließen. Sie können Bügel und Cups enthalten. Der Aufwand an Schmuckelementen kann sehr unterschiedlich sein. Beliebt neben Spitzenbesatz sind Schleifchen, Rüschen oder Strass-Steinchen. Ledermodelle werden eher mit Schnallen und Riemen versehen und können martialisch aufgemacht wie eine Amazonen-Kampfrüstung wirken. Wo überhaupt kein Stoff mehr verwendet wird, kommt der Begriff Harness ins Spiel - das ist dann nur noch eine Riemenkonstruktion, die von Fans dieser Spielarten auch mal zum Anketten benutzt wird.

Beine zum Verlieben

Ein weiteres Objekt der Begierde für das Auge ist natürlich ein weibliches Bein, in voller Länge. Dem widmen sich Pantyhose, Strümpfe der unterschiedlichsten Länge und natürlich die Strapse als Strumpfhalter, die eine Verbindung mit Corsage oder Korsett gestatten. Ohne ihren ursprünglichen Nutzcharakter haben sich Strapse ganz zum erotischen Accessoire gewandelt. Die Länge der Beine lässt sich optisch verlängern durch geschickte Linienführung. Netzstrümpfe haben darunter eine besonders verruchte Botschaft. Besonders stimmig sind Strümpfe, die mit der Bekleidung des Torsos eine erkennbare Symbiose eingehen und zusammen als Set erhältlich sein können, aber auch zu freier Kombination einladen. Je feiner Strümpfe (Nylons) jedoch gewirkt sind, desto empfänglicher sind sie für Schäden und daher nicht lange haltbar.

Mehr oder weniger genügende Abdeckung für die Öffnungen: Slips, Panties und Ouverts

Bei den Höschen finden wir ein ständiges Spiel zwischen Verstecken und Preisgeben. Als erotisches Dessous sind Slips ohne Beinansatz eher knapp geschnitten, ihre Haltebänder können dünn wie Bänder werden, während gerade noch der Schamhügel abgedeckt wird. Oder nicht einmal das. So genannte Ouverts sind Slips, die gerade dort Aussparungen haben, wo sich auch die Körperöffnungen finden. Der Zweck ist, zur Vereinigung zu kommen, ohne dieses Wäschestück erst entfernen zu müssen. Eine Zwischenlösung wäre ein Ouvert mit einer verschließbaren Öffnung. Diese Funktion kann über Reißverschluss oder Knopfleiste bewerkstelligt werden. Slips können eher schmucklos sein oder auf jede erdenkliche Weise geschmückt. Im ersten Fall wären sie wohl eher der Lingerie zuzuordnen als dem Dessous. Panties oder Shorties sind nicht ganz so freizügig und decken weiter den Beinansatz an der Hüfte ab. Sind sie locker geschnitten statt anzuliegen, entsprechen sie fast dem, was bei Männern als Boxershorts bekannt ist. Hochwertige Panties online kaufen zu gehen dürfte keinerlei Problem sein. Optische Spielereien mit durchsichtigen Zonen sind bei allen Höschen möglich.

Die wirklich knappsten Höschen

Wem Slips noch zu üppig dimensioniert sind, kann zum echten Minimalismus unter dem Minimalen greifen und sich mit einem String oder Thong schmücken. Es geistert auch noch der Name String-Tanga in diesem Zusammenhang durch den Raum. Beim Tanga ist das verbleibende Stoffdreieck zwischen den Bändern vorn und hinten ungefähr gleich groß. Bei Strings gibt es einige Buchstaben zu beachten, gibt es doch G-Strings, T-Strings und V-Strings und so einiges mehr. G-String wird gemeinhin interpretiert als G-Saite einer Violine, der Begriff steht also für ein echt dünnes Halteband zwischen den Hinterbacken. Der Thong hat wenigstens ein Riemchen von einem Zoll Breite im Unterschied zum noch dünneren String aufzubieten. Sie alle definieren sich durch Schnur- oder Bandbreite und das Vorhandensein eines Stoffdreiecks auf dem Steiß. Perlenschnüre können profane Bändchen ersetzen.

Die Grenzbereiche der Dessous

Zugegeben, bei all diesen Dessous bleiben die Arme und Hände eher unbeachtet. Dabei können spitzenbesetzte lange Handschuhe bis zum Ellenbogen durchaus reizvoll aussehen, was auch manchmal bis zu einem oder mehreren Fingern zum Durchschlüpfen verlängert wird. Für Freunde des martialischen Aussehens wirken Accessoires für die Unterarme eher wie Kampfbandagen, ein Riemenschutz oder eine Stulpe. Je nach persönlicher Präferenz könnten manche Leute auch besondere Schuhe oder gar Stiefel zu ihrer erotischen Ausstattung zählen, als Bestandteil eines Dessous-Sets. Federn, Boas, Fächer, Halsbänder und Stirnbänder könnte man ebenso als Accessoires zu den Dessous nennen. Alles zusammen dient zur Stimulierung.

Ein abschließender Blick auf Dessous

Dessous bringen das Kunststück fertig, Reize gleichermaßen verhüllen wie in Szene setzen zu wollen. Ihre Schnitte, gern als 'Raffiniertheit' bezeichnet, bringen diese Kunst auf einen künstlerischen Höhepunkt. Sie machen recht banale Nacktheiten appetitlich zu Leckerbissen, steigern das Spiel der optischen und haptischen Reizung und damit die Vorfreude auf das Hauptgericht. Vielleicht kennen wir zuhause keine würdigen Trägerinnen dafür, aber Dessous-Models schaffen es dafür um so besser, uns mit textilen Lustmachern am Leib zu verzücken.